In aller Frühe macht uns der Blick aus dem Fenster glauben, wir schweben auf einen Flughafen mit den Formen einer futuristischen Stadt aus einem alten Science-Fiction-Film zu. Der Flieger kommt zum Stillstand, die Triebwerke verstummen, einige Fluggäste applaudieren, Touristen, andere nicht, Businessleute. »Thank you for flying with us.« Bitte. Ungeduldig erwarten die Reisenden ihr Gepäck, nehmen es, liebevoll wie einen verloren geglaubten Freund, in Empfang und strömen im Menschenfluss zum Ausgang. Dort erwartet uns Albert mit einem sanftmütigen Lächeln und einem vertrauten »Grüezi mitenand«. Wir fühlen uns zu Hause.
Die Straße, auf der uns Albert der Küste entlang zum Raffles Hotel fährt, säumen üppig grüne Bäume und in leuchtenden Farben blühende Sträucher. Vor einem von der Morgensonne in ein warmes Weiß getünchten Gebäude im Kolonialstil stoppt er. »Da wären wir«, zerstreut er unsere Zweifel daran, ob wir tatsächlich an diesem exklusiven Ort, dessen Name auf den britischen Forscher und Gründer von Singapur, Sir Thomas Stamford Raffles, zurückgeht, absteigen werden. Augenblicklich wimmelt es von dienstbaren Geistern, die sich um unser Gepäck kümmern und uns aufs Zimmer begleiten. Alberts »Macht euch schnell frisch, dann treffen wir uns in der Lobby zum Rundgang durch die CBD Area« in den Ohren, trotzen wir dem aufkeimenden Jetlag mit einer kühlen Dusche und googeln CBD Area. »Central Business District«, klärt uns der jederzeit und überall verfügbare Enkel des verstaubten Brockhaus auf. Wohlan, wir sind bereit.
Touristische und traditionelle Programmpunkte
»Zuerst führe ich euch durch das touristische Singapur, damit ihr zu Hause mitreden könnt«, beginnt Albert verschmitzt. »Dann lernt ihr das traditionelle kennen. Einverstanden?« Selbstverständlich. Beim studierten Physiker, den es vor rund dreißig Jahren fast zufällig aus der Schweiz hierher verschlug, fühlen wir uns in allerbesten Händen. Draußen herrscht geschäftiges Treiben. Unzählige Europäer und Amerikaner wuseln durch die Straßen. »Jedes Jahr besuchen Millionen von Touristen diese Region«, klärt uns Albert auf. »Echte Singapurer verbringen jedoch nicht mehr Zeit als nötig hier. Viele arbeiten in einem der unzähligen Bürokomplexe, wohnen aber außerhalb und pendeln täglich bis zu zwei Stunden – pro Weg.«
Albert charakterisiert Singapur als Stadt, in der alles höher, schneller, weiter, größer ist. Die Beweisführung lässt nicht lange auf sich warten. Der 165 Meter hohe Singapore Flyer mit seinen 28 klimatisierten Kabinen, von denen wir eine betreten, galt bei seiner Einweihung im Jahr 2008 als größtes Riesenrad der Welt. Sechs Jahre hielt das imposante Meisterwerk der Technik den Titel inne. »Dann haben die Amis in Las Vegas ein um zwei Meter sechzig höheres Riesenrad gebaut«, mäkelt Albert leicht kopfschüttelnd. Doch das tut dem atemberaubenden Blick aus schwindelerregender Höhe keinen Abbruch.